9. Bericht vom 31.05. - 07.06.2005

Der Tod hier am Everest ist allgegenwärtig

31.5., der neue Wetterbericht verspricht in den kommenden Tagen immer noch erheblichen Wind, also nichts Gutes. Da es unsere letzte Chance ist, werden wir morgen aber trotzdem starten. Ich treffe alle Vorbereitungen, wie zum Beispiel Gepäck optimieren und Taktik endgueltig festlegen. Meine Ambitionen, die Sache ohne Sauerstoff durchzuziehen, halte ich nach wie vor aufrecht. Mir ist aber auch klar, dass man das nur bei besten Verhältnissen machen kann, dass das Risiko, nicht mehr vom Berg zurückzukommen, dadurch fuenf Mal so hoch sein wird. Ich werde daher vor Ort auf 7.800 Meter bzw. auf 8.300 Meter entscheiden.

01.6., heute ist die erste Etappe zum Nordcool auf 7.000 Meter am Programm. Beim Losgehen treffe ich noch den Ralph Dujmovitz und die Gerlinde Kaltenbrunner, die Ihr Vorhaben, den Gipfel ueber die Nordbeinroute zu erreichen, auf Grund des Sauwetters aufgeben mussten. Gerlinde ist momentan zweifellos die stärkste Expeditionsbergsteigerin weltweit und hat super Chancen, die erste Frau zu sein, die alle Achttausender schafft.
Den Weg aufs Cool habe ich heute gut drauf und ist eher ein Eingehspaziergang. In der Nacht schlafe ich wie ein Brocken Holz.

02.6., Heute wird es ernst, wir starten bereits um 06.30 Uhr, die Etappe ins Lager I auf 6.800 Meter ist auf dem Programm. Der Wind weht scharf und ohne volle Mondur, wie Gesichtsmaske und schwere Handschuhe, besteht ueberhaupt keine Chance. Der lange Firngrat will einfach kein Ende nehmen und die letzten 200 Höhenmeter im Felsgelände zeigt der Sturm seine volle Kraft. Endlich können wir nach 6 bis 7 Stunden die schuützenden Zelte erreichen.

03.6., die Nacht ist ganz einfach gesagt grausig gelaufen, fast nichts geschlafen. Der Sturm tobte so stark, dass wir in voller Mondur dauernd gefasst sein mussten, dass es uns die Zeltplane aufreisst und dass wir plötzlich im Freien sitzen. Dieser Umstand hat nämlich schon so manchem Expeditionsbergsteiger das Leben gekostet. Bereits um 06.00 Uhr startet unser Expeditionsleiter Kari per Funk einen Rundruf und jeder muss sich entscheiden, ober er weiter aufsteigen wird. Alle 3 Schweizer Teilnehmer sind einhellig der Meinung, dass es zu gefährlich ist und bereiten den endgültigen Rückzug vor. Für mich ist die Sache ebenfalls klar, ich werde weiter aufsteigen. Ich sehe keine besondere Gefahr, da der Weg ins Lager III auf 8.300 Meter unschwierig ist, keine objektiven Gefahren beinhaltet und jederzeit Rückzugsmöglichkeiten beinhaltet. Und dem Sturm werde ich schon trotzen, ich habe keine Angst. Die beiden Deutschen entscheiden ebenfalls für einen weiteren Aufstieg. Auch der Expeditionsleiter unterstützt unsere Entscheidungen. Jetzt muss ich natürlich mein Vorhaben ohne Sauerstoff zu gehen, über Bord schmeissen. Das wäre nämlich in dieser Situation halber Selbstmord. Ich schnalle also die Flaschen an. Zuerst läufts echt happich, der Sturm lässt uns kaum vorankommen. Aber je höher wir kommen, umso sanfter wird der Wind und es ist kaum zu glauben, wir kommen irgendwie easy auf das Lager III auf 8.300 Meter. Ich fühle mich am Abend zwar träge und saumüde aber irgendwie saugut. Besonders weil ich richtig gepokert und nicht in die Hose geschisssen habe. Ich weiss, die Chance lebt und es könnte gut sein, dass wir morgen auf gut tirolerisch geaagt einen Fettn haben könnten. Ich treffe rechtzeitig alle Vorbereitungen wie Teeflaschen füllen, Sauerstofflaschen kontrollieren ect. So schnell wie möglich versuche ich mich etwas aufs Ohr zu hauen, denn bereits am späten Abend gehts los. Gegessen habe ich schon seit 2 Tagen nichts mehr und es wird auch noch mindestens 2 weitere dauern, bis ich etwas herunterbringen werde. Momentan würde ich ich mich nämlich sofort 'anspeiben'.

04.6., heute soll der grosse Tag sein, der countdown beginnt. Wir haben ausgemacht, dass wir uns pünktlich um 23.00 Uhr vor dem Zelt treffen und dann sofort starten. Jeder muss heute sein eigenes Tempo gehen und schauen wie er bestmöglichst hochkommt. Da gibt es kein Generalheilmittel. Unser Expeditionsleiter Kari wird alles hier vom Lager III aus beobachten und koordinieren. Bereits beim Start spüre ich, Christian heute bist du gut drauf, du spürst keine Magge, du hast volle Power in dir. Ich will mit Vollgas die ganze Nacht durchziehen und bereits früh am Morgen am Gipfel sein. Zu Mittag kommen nämlich oft gefährliche Höhenwinde auf, die dir den Rückweg absperren können. Dann sitzt du nämlich da oben und unter Umständen stirbst du dann weg wie eine Fliege.

Es läuft gewaltig. Die Windböhen, die mir erst am Grat zu schaffen machen, werden immer sanfter und noch in der Dunkelheit können wir die schwierigen Stellen wie First und Second Step überwinden. Auch der Sherpa, der mich begleitet, nickt immer wieder und ist mit der Situation absolut zufrieden. Als wir über das grosse Gipfelschneefeld stapfen, geht am Horizont die Sonne auf und verschafft mir einen einzigartigen Tiefblick in die Täler Nepals. Jetzt weiss ich, dass uns den Gipfelsieg niemand mehr nehmen kann. Am letzten Grat zum Gipfel läufts dann so von selbst dahin und ich bekomme schon ein so warmes Gefühl.
Es ist 06.30 Uhr, ich habs geschafft, wir sind die Ersten, ich stehe alleine mit meinem Sherpa am höchsten Punkt unserer Erdkugel, wir geben uns die Hand, wir umarmen uns. Alle Berggipfel dieser Erde liegen jetzt unter mir, gewaltige Emotionen steigen in mir hoch, aber ich muss mich bremsen und meine Gefühle wieder realisieren. Denn der schwierigste Teil der Tour, der Abstieg, beginnt jetzt und ich muss mich wieder voll konzentrieren.

Jetzt wo es Tag ist, bekomme ich während des Abstiegs erst richtig mit, was sich an diesem Berg wirklich abspielt. Schon oft habe ich Berichte gelesen, wo es heisst, dass Tote den Weg säumen. Ich habe nicht daran geglaubt. Wir gehen aber an fast einem halben Dutzend Leichen vorbei. Zum Beispiel liegt ein slowenischer Bergsteiger, der vor ca 2 Wochen knapp unterhalb des Gipfelschneefeldes erfroren ist, direkt auf der Aufstiegsspur. Niemand kann oder will diese Leichen entfernen. Solche Sachen muss ich aber sofort wegstecken, denn der Weg ist absturzgefährdet und schlecht abgesichert. Ich muss sagen, der Abstieg schlaucht mich gewaltig und so gegen 11.00 Uhr komme ich wirklich saumüde im Lager III an. Gleich verziehe ich mich in mein Zelt, wo ich dann einige Stunden schlafen werde. heute werde ich meine sichere Umgebung nicht mehr verlassen und die Nacht über hier verbringen.

Mein Kollege Peter erreicht um 10.45 Uhr ebenfalls den Gipfel und kehrt am späten Nachmittag ins Camp III zurück. Wir können uns gemeinsam freuen. Der Dieter, der bereits 3 Achttausender erfolgreich bestiegen hat, erreicht den Gipfel leider nicht, muss umkehren und kehrt am Nachmittag ebenfalls ins Camp III zurück. Er entscheidet sich aber, weiter ins Camp II abzusteigen und verstirbt auf diesem Weg. Dieses Ereignis versetzt uns in einen gewaltigen Schock, denn wir verlieren einen verlässlichen, korrekten und angenehmen Bergkameraden.

5.6. - 7.6., am Morgen des 5.6. steigen Peter und ich ins ABC-Camp und am 6.6. weiter ins Bace-Camp ab. Auf diesem Weg habe ich mir wohl mein rechtes Knie etwas versaut und es schaut momentan so aus, als dass der Arzt einen Auftrag bekommen könnte. Dieses Problem ist mir momentan aber so ziemlich egal, wird sich schon wieder geben. Monmentan sind wir untwerwegs Richtung Kathmandu, wo wir morgen die Heimreise über Bangkok antreten werden.

Ein grosses Abenteuer ist vorbei. Es hat mich neu geprägt und ich bin dankbar und froh, dass ich all diese neuen Erfahrungen machen durfte. Ein besonderer Dank gilt wohl meiner einzigartig grosszügigen Frau und meinen super Kindern, die mich immer unterstützt und jede Sekunde mit mir und um micht gezittert haben.

Auch bin ich tief ergriffen, dass mich bei der Spendenaktion so viele Freunde und Gönner unterstützt haben. Ein herzliches Vergeltsgott. Im Herbst ist eine grössere Vortragsreihe geplant und ihr seit natürlich alle eingeladen.

Ach, mir kommt gerade vor, dass sich in meinem Kleinhirn schon wieder Ideen für ein neues grosses Abenteuer sammeln.
Ich hoffe, Euch nicht gelangweilt zu haben.

Berg Heil

Christian