2. Expeditionsbericht 17.4.-20.4.2005

Heute und in den nächsten Tagen ist absolute Ruhe angesagt. Ich muss
mich von meiner Bronchitis erholen und ausserdem muss ich mich sowieso
an die neue Höhe anpassen. Hier auf der Nordseite des Everest ist es
recht unwirtlich. Der pausenlos tobende Wind, der Staub und die
trockene Luft ist gewöhnungsbedürftig und macht uns noch allen etwas zu
schaffen - aber der Mensch ist ein Gewöhnungstier und was einen nicht
umbringt, macht einen nur hart.
Sonst ist aber alles "easy" hier, ich schlafe wie ein Brocken Stein,
meistens bis 10.00 Uhr. Der Appetit passt, die Küchenboys zaubern
gewaltige Leckerbissen auf den Tisch und vor allem genug. Bis jetzt ist
es ein richtiger lockerer Trekkingurlaub - aber es wird sich alles noch
gewaltig ändern.
In der Früh, wenn ich das Zelt öffne, erwartet mich jeden Tag ein
gigantischer Anblick, die gesamte Everest-Nordseite mitr seinen
riesigen Felsabbrüchen. Dieser gewaltige Koloss beinhaltet rund 50 Mal
die Masse des Matterhorns - die Dimensionen sind einfach einige
Schuhnummern grösser als bei uns in den Alpen.

Das Camp hier ist auch von vielen Tiebetern belagert. Die meisten sind
bettelarm, schlecht bekleidet und schlafen bei Minusgraden unter
löchrigen Zeltplanen in arg verschmutzten Wolldecken. Unser eins könnte
so etwas nicht aushalten und würden sofort erkranken. Gestern war mein
Expeditionskollege Norbert, er ist aus der Schweiz und startet heuer
bereits den dritten Gipfelversuch, bei einem dieser armen Tibeter
eingeladen. Er ist mit ihm befreundet und ich konnte ebenfalls
mitkommen. Es ist ein Wahnsinn, was man da zu sehen bekommt. Das
dreijährige Kind hat so starre und schmutzige Haare, dass sie in alle
Himmelsrichtungen stehen. Alles spielt sich in einem einzigen Raum ab,
das Trockenfleich hängt von der Decke, in einem Eck ist die Kochstelle,
im anderen wird geschlafen. Und überallin zieht es herein.

Wir haben hier im Lager auch schon 2 Oesterreicher getroffen - ein
Pärchen aus Vorarlberg, Wilfried und Sylvia. Beide sind hier bekannt
wie ein "roter Hund", Ihn nennen die Sherpas mittlerweile den "Mr
Everest". Es ist kaum zu glauben, aber die beiden sind rekordverdächtig
unterwegs. Sie starten heuer den neunten Gipfelversuch in Folge. Noch
nie haben Sie den Gipfel erreicht - einmal mussten Sie auf 8.600m
umkehren. Wenn die so weitermachen, haben sie gute Chancen, in die
Geschichte des Everest einzugehen. Der Kari, unser Expeditionsleiter
sagt etwas lakonisch, dass sie vermutlich gar nicht hinaufwollen. Sie
hätten dann nämlich keinen Grund mehr hier her zu kommen. Sonst ist im
Lager hier momentan sehr wenig los, die meisten Bergsteiger sind schon
ins nächste Camp gezogen.

In wenigen Tagen werden auch wir den Weg ins ABC-Camp auf 6.400 in
Angriff nehmen. Der Materialtransport findet bereits statt und der Weg
dort hin mit 27 km ist höllisch weit.
Uebrigens, heute habe ich auf der Webseite gesehen, dass der neue
Spendenstand der Benefizaktion bereits über 17.000,-- beträgt. Ich bin
tief berührt von Eurer Freigiebigkeit. Ich schreibe momentan laufend
Grusskarten, und sie werden bald bei Euch eintreffen. Weiters auch
herzlichen Dank für die vielen netten Eintragungen im "Guestbook".

Ich werde mich dann in ca einer Woche aus dem ABC-Camp wieder melden.